Nicht weiter Staub ansetzen, sondern den Aufbruch wagen

Am 8. Juni 2021 konnte die ursprünglich auf Anfang Dezember 2020 angesagte Begegnung zwischen der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) und der Römisch-katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) zum Thema «Gemeinsam auf dem Weg zur Erneuerung» endlich stattfinden. Im Wissen, dass ein Verharren im Ist-Zustand der katholischen Kirche – auch der katholischen Kirche in der Schweiz – keine Perspektiven für die Zukunft bietet, war das Warten auf RKZ-Seite alles andere als einfach. Aber es war richtig, sich vor Ort zu treffen, betonen doch rückblickend alle die Bedeutung des persönlichen Austausches.
Die Vorgeschichte zu diesem Treffen war für die RKZ schwierig und ernüchternd. Sie musste zur Kenntnis nehmen, dass die SBK dem Erneuerungsprozess trotz der Krise auf schweizerischer Ebene nicht den Stellenwert gibt, den er aus RKZ-Sicht haben müsste. Auch verzichtet die SBK bis heute darauf, synodale Strukturen für diesen Prozess zu schaffen, in denen die Verantwortung unter anderem mit der RKZ geteilt wird. Lieber trägt sie die Verantwortung dafür allein. Das ist aus RKZ-Sicht schon deshalb fragwürdig, weil fehlende Teilung und Kontrolle der Macht und mangelnde Beteiligung der Getauften, namentlich der Frauen, an wichtigen Entscheidungen zu den grössten Defiziten der gegenwärtigen Strukturen gehören und der wichtigste Grund für fehlende Reformen sind.
Um den Prozess nicht zu blockieren, erklärte sich die RKZ trotzdem einverstanden, die Begegnung durchzuführen. Die Frage der gemeinsamen Verantwortung von SBK und RKZ ist damit aber nicht vom Tisch. Denn die Zusammenarbeitsvereinbarung von SBK und RKZ von 2015 beginnt mit einem für das duale System zentralen Bekenntnis: «Im Wissen und in der Überzeugung, dass die SBK und die RKZ mit ihren je spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten miteinander Verantwortung für den Bestand und die Weiterentwicklung der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz tragen, schliessen sie die nachfolgende Vereinbarung …»
Auch mit der Aussage, die SBK sei eine «Plattform für den brüderlichen Austausch» und «entscheidend seien die Bistümer», können sich die Bischöfe nicht aus dieser Verantwortung stehlen. Die Auskunft, man sei in den Diözesen in unterschiedlicher Weise schon lange auf dem Weg, wirkt zunehmend hilflos. Es müssen endlich Taten folgen, will die katholische Kirche nicht immer mehr Mitglieder verlieren und in die gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit versinken. Wie weit dieser Prozess schon fortgeschritten ist, zeigt sich an der Pressekonferenz vom 11. Juni 2021. Ganze vier Journalisten nahmen daran teil, drei davon vertraten kircheninterne Medien. Dieses fehlende Interesse der säkularen Medien ist ein Alarmsignal.
Den Weg der katholischen Kirche zu mehr Glaubwürdigkeit und neuer Ausstrahlung in die Gesellschaft können wir jedoch nur miteinander schaffen: SBK und RKZ, Frauen und Männer, Einheimische und Zugewanderte, Hauptamtliche und Freiwillige. Der Bischof von St. Gallen, Markus Büchel, brachte es am Ende der Begegnung mit der RKZ auf den Punkt: «Wir brauchen einander!» Das Motto zum 50-Jahr-Jubiläum, das die RKZ 2021 feiert, sagt es noch deutlicher: «Miteinander. Vorwärts.» Denn es ist allerhöchste Zeit, dass wir als katholische Kirche nicht weiter Staub ansetzen und im Ist-Zustand verharren, sondern den Aufbruch wagen.
Renata Asal-Steger, Präsidentin der RKZ und Präsidentin der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern
Titelbild: Begegnung zwischen SBK und RKZ vom 8. Juni 2021 in Einsiedeln ©SBK
Klare Worte der RKZ-Präsidentin. Wenn der katholischen Kirche die Mitglieder davonlaufen, weil römische und weltweite Skandale, Unglaubwürdigkeit in verschiedenen Fragen und fehlende Schritte in die Zukunft keine Gründe zum Bleiben sind, spüren dies auch die staatskirchenrechtlichen Gefässe, welche die Pastoral vor Ort mittragen. Infrastruktur, welche einer breiten Bevölkerung zur Verfügung steht, kann langfristig nicht mehr finanziert werden.
Deshalb: Die katholische Kirche Schweiz funktioniert auf zwei parallelen Strukturen, die sich gegenseitig ernst nehmen müssen. Auf der Ebene der Kirchgemeinden/Pfarreien genau so wie auf gesamtschweizerischer Ebene.