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News 27.03.2024 | Ethik – Politik

Assistierter Suizid einer gesunden Frau

Eine gesunde 86-Jährige will durch assistierten Suizid gemeinsam mit ihrem schwerkranken Mann aus dem Leben scheiden. Der Arzt, der ihr das tödliche Mittel verschrieb, wurde Mitte März vom Bundesgericht in Lausanne freigesprochen. Dass ein gesunder Mensch gesetzeskonform Gebrauch vom assistierten Suizid machte, stellt Ethik und Gesetz vor neue Fragen. Das Leben hat für den Frauenbund einen Wert an sich, doch ergibt sich daraus kein Zwang, leben zu müssen. Die Diskussion müsse neu geführt werden, so SKF-Präsidentin Simone Curau-Aepli.

© 2024 pixabay CC0 Public Domain

Der Verbandsvorstand des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds betrachtet den assistierten Suizid als eine Möglichkeit, wie mit einem untragbaren Leiden umgegangen werden kann. Was als ein solches untragbares Leiden gesetzlich angesehen werden kann, bedarf nach dem jüngsten Urteil des Bundesgerichts in Lausanne einer neuen Diskussion. Dieses sprach Pierre Beck, den pensionierten Arzt und früheren Vizepräsidenten von Exit Westschweiz frei. Die verschiedenen Arten der Sterbehilfe sind im Schweizer Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Pierre Beck wurde zunächst von einem Genfer Gericht wegen einem Verstoss gegen das Heilmittelgesetz zur Verantwortung gezogen. Der Fall zog wegen Einsprachen bis zum höhere Bundesgericht in Lausanne. Dieses bekräftigte, dass – da es sich bei der verstorbenen Frau um eine gesunde Person gehandelt habe – nicht das Heilmittelgesetz, sondern das Betäubungsmittelgesetz hätte angewendet werden müssen und sprach den Arzt von einem Verstoss gegen Letzteres frei.

Sorgfaltskriterien und Umsetzung durch Sterbehilfeorganisationen

Nach Gesetz wäre auch eine Beihilfe zum Suizid bei gesunden, jungen Menschen erlaubt, sofern keine selbstsüchtigen Motive im Spiel sind. Die Vereine Dignitas und Exit halten sich aber an die notwendigen Minimalstandards, die von der Nationalen Ethikkommission 2006 als Empfehlung publiziert wurden. Eine davon ist, dass ein schweres, krankheitsbedingtes Leiden vorliegen muss. Die Empfehlungen der Nationalen Ethikkommission wollen keine zeitlose Gültigkeit beanspruchen. Nach Vorliegen von Erfahrungen aus der Praxis sollen sie vielmehr neu diskutiert und gegebenenfalls revidiert werden können. Die verstorbene Frau jedoch war gesund und urteilsfähig. Sie hinterlegte ihren Sterbewunsch bereits zwei Jahre zuvor bei einem Notar in Form einer Verfügung. Der Arzt hat der Frau ihren Sterbewunsch erfüllt, weil sie laut eigener Aussage ihrem Leben mit anderen Mitteln ein Ende gesetzt hätte, z.B. durch Strang oder Erschiessen. Dies benannte der Mediziner als einen wesentlichen Grund für seine Unterstützung. Für Schweizer Gerichte sind die Sorgfaltskriterien der Nationalen Ethikkommission nicht bindend, sondern eine Empfehlung. Gesetzlich liegt also kein Verstoss vor.

Leben und sterben lassen

Die Diskussion darüber, wie weit die Selbstbestimmung von Menschen in Bezug auf den Tod gehen darf, müsse wieder neu geführt werden, findet SKF-Präsidentin Simone Curau-Aepli. Die Debatte rund um Sterbehilfe bezog sich bisher vor allem auf kranke Menschen. Grundsätzlich gilt für den SKF: Das Leben hat einen Wert an sich, doch ergibt sich daraus kein Zwang, leben zu müssen. Der Verbandsvorstand respektiert den Gewissensentscheid jedes Menschen und seine eigene Bewertung des Leids. Jeder Mensch hat aufgrund seiner unveräusserlichen Menschenwürde immer ein Recht auf Leben, weshalb es niemals zu gesellschaftlichem Druck für einen assistierten Suizid kommen darf. Der Verbandsvorstand sieht es als gesellschaftliche Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Menschen ihr Leben, das durch körperliche, geistige oder seelische Not nicht mehr als lebenswert erfahren wird, zu begleiten, zu lindern und zu helfen. Die Entscheidung, ob ein Leben lebenswert ist, liegt aber schlussendlich allein bei der betroffenen Person selbst.

Beziehungsarbeit gegen Vereinsamung

Im Zusammenhang mit der letzten Lebensphase gibt es viele Herausforderungen, die uns mit der existenziellen Frage konfrontieren, wie wir sterben wollen. «Wenn ich sehe, was in unseren rund 570 Frauengemeinschaften an Beziehungsarbeit für Familien, Alleinstehende, Betagte oder kranke Menschen geleistet wird, bin ich immer wieder berührt und auch stolz», so Curau-Aepli. Sich zu einer Gemeinschaft zugehörig fühlen, sei eine religiöse Erfahrung mit hohem Stellenwert in der jüdisch-christlichen Tradition. «Viele Menschen fühlen sich heute einsam und leiden am Verlust von Beziehungen und sinnstiftenden Tätigkeiten. Hier müssen wir als Gesellschaft aktiv werden, auf diese Menschen zugehen und sie dazu einladen, Teil der Gemeinschaft zu sein». Dazu brauche es oft Fantasie und Hartnäckigkeit, aber vor allem die Freude, sich bewusst Menschen zuzuwenden, die nicht von sich aus den Schritt wagen.

Der assistierte Suizid wird auch Beihilfe zum Suizid genannt und ist eine Form der Sterbe-
hilfe. Sterbehilfe ist ein breiter Begriff. Ganz allgemein versteht man unter Sterbehilfe alle
medizinischen Entscheide und Massnahmen, welche den Todeseintritt beschleunigen
können.

Die SKF-Stellungnahme «Es gibt ein Recht auf Leben, aber keine Pflicht zu leben» aus dem Jahre 2019 gibt Auskunft über die Haltung des SKF-Verbandsvorstandes.

Das Grundsatzpapier «Mit Würde dem letzten Lebensabschnitt entgegen» aus dem Jahre 2011 regt zum Nachdenken an und zeigt verschiedene Möglichkeiten auf, die Handlungsfähigkeit zu bewahren.

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