Das Leben auf Pump unserer Kinder
Am 29. Dezember 1970 ist es das erste Mal passiert, seither geschieht es jährlich: Die Weltbevölkerung nutzt pro Jahr mehr Ressourcen, als ihr zur Verfügung stehen. Aus ökonomischer Sicht hat die Menschheit an diesem Tag also mehr Ressourcen der Erde verbraucht als das Jahresbudget es eigentlich hergegeben hätte. Ganz so, wie das Überziehen des Kontos bei der Bank – jedoch mit ganz anderen Folgen.
Raubbau am Planeten
Seit 1970 ist dieser Tag, den die Organisation Global Footprint Network «Overshoot Day» nennt, im Jahreskalender immer weiter nach vorne gerückt – bis wir 2018 sogar im Juli angekommen sind. Im siebten von zwölf Monaten haben wir Menschen die uns verfügbaren Ressourcen für das Jahr 2018 bereits verbraucht und lebten von nun an auf Pump. Auf Pump der Zukunft. Auf Kosten der Erde, der Natur, und nicht zuletzt auch auf Kosten von zukünftigen Generationen, denen wir einen «verbrauchten» Planeten überlassen werden. Es ist der Natur für eine gewisse Zeit zumutbar, wenn pro Jahr mehr natürliche Ressourcen verbraucht werden, als die Erde in diesem Zeitraum regenerieren kann. Weil unser Verbrauch jedoch seit Jahrzehnten über der Biokapazität der Erde liegt, werden ihre regenerativen Möglichkeiten überstrapaziert und es findet ein «anhaltender Raubbau» statt.
Berechnung
In die Berechnung von verfügbaren Ressourcen fliessen die Nutzung von Ackerland, Weideland, Waldflächen, Fischgründen und bebauten Flächen sowie die CO2-Absorption ein. Die Besonderheit bei der Berechnung des ökologischen Fussabdrucks besteht darin, dass die verschiedenen Faktoren zu einer Messgrösse – dem globalen Hektar (gha) – zusammengefasst werden. Die Differenz zwischen biologischer Kapazität und dem ökologischen Ressourcenverbrauch entscheidet darüber, ob sich ein Land in einem ökologischen Defizit befindet oder über Reserven verfügt.
Situation in der Schweiz
Doch nicht alle Länder sind in einen Topf zu werfen. Wir leben zwar alle auf demselben Planeten, doch die Länder tragen unterschiedlich zum Ressourcenverbrauch bei. Im Ländervergleich schneiden Entwicklungs- und Schwellenländer umweltfreundlicher ab als Industrienationen. Bangladesh, Kongo oder Honduras verbrauchen sogar weniger natürliche Ressourcen, als ihnen jährlich laut Berechnungen mit dem globalen Hektar (gha) zustehen würden. Sie erreichen entsprechend keinen Overshoot Day.
Die Schweiz allerdings schon! Würden Menschen weltweit so leben, wie wir hier, bräuchte es fast drei Planeten, um die notwendigen Ressourcen jährlich bereit zu stellen. Der Swiss Overshoot Day fällt auf Freitag, den 13. Mai 2022. Am 133. Tag des Jahres haben wir das Budget für 365 Tage aufgebraucht.
Wie beeinflussen wir den Overshoot Day?
Wir konsumieren und wirtschaften als gäbe es kein Morgen. Die Kosten dafür werden unsere Kinder und Enkelkinder bezahlen müssen. Wir alle haben täglich die Möglichkeit, durch unsere Entscheidungen dazu beizutragen, das Datum des Overshoot Days nach vorne oder hinten zu schieben. Einerseits sollen Treibhausgas-Emissionen reduziert, andererseits die Energiegewinnung erneuert werden. Wirtschaft und Politik sind gefragt. Aber es gibt durchaus auch einen beachtlichen Handlungsspielraum für den einzelnen Menschen: Täglich entscheiden wir, was auf unserem Teller landet. Sind es pflanzliche oder tierische Nahrungsmittel? Kann das eigene Einkaufsverhalten optimiert werden, um Food Waste zu minimieren? Wo und wie verbringe ich meine Ferien? Muss es immer das neueste Gerät sein, oder taugt mein bisheriges Handy nicht doch noch für die nächsten Jahre? Wo und wie oft kaufe ich neue Kleidung ein? Wie viel Wohnfläche soll mir zur Verfügung stehen?
Um nachhaltiger zu leben, bedarf es nicht einem schier unerreichbaren Ideal nachzueifern – es genügt, stetig kleine Anpassungen vorzunehmen, die dafür langfristig umgesetzt werden. Niemand muss von heute auf morgen ihr oder sein Leben komplett auf den Kopf stellen. Aber wir dürfen uns sehr wohl fragen, ob es wirklich täglich tierische Produkte auf dem Teller braucht, oder ob einmal im Monat oder Jahr auch umsetzbar wären? Der Umwelt und den Kindern zuliebe.
Wie das eigene Verhalten im Vergleich abschneidet, kann übrigens leicht über den Footprint-Rechner von WWF ermittelt werden.
Danielle Cotten
Co-Geschäftsleitung
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