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News 14.02.2024 |

Den freien Sonntag schützen

Der Bundesrat möchte das Arbeitsgesetz lockern. Eine vorgeschlagene Verordnungsänderung des Arbeitsgesetzes sieht eine Ausdehnung der bewilligungsfreien Sonntagsarbeit vor. Im Namen oft widersprüchlicher und partikulärer wirtschaftlicher Interessen wird der freie Sonntag immer wieder ohne Not in Frage gestellt. Der Schweizerische Katholische Frauenbund lehnt die  Verordnungsänderung ab und setzt sich für den Schutz des arbeitsfreien Sonntags ein. 

Der arbeitsfreie Sonntag gerät immer mehr unter Druck, vor allem im Detailhandel. Im Namen oft widersprüchlicher und partikulärer wirtschaftlicher Interessen wird der freie Sonntag immer wieder ohne Not in Frage gestellt. Eine vorgeschlagene Verordnungsänderung im Arbeitsgesetz sieht eine Ausdehnung der bewilligungsfreien Sonntagsarbeit in städtischen Tourismusgebieten vor. Der Schweizerische Katholische Frauenbund SKF lehnt die Änderung ab und beteiligt sich an der Vernehmlassung des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO. Als Mitglied der «Sonntagsallianz» wehrt sich der SKF gegen Lockerungen des Sonntagsarbeitsverbots.

Recht auf Ruhe und Unerreichbarkeit

In der Schweiz wurde der arbeitsfreie Sonntag 1877 mit dem ersten Fabrikgesetz gesamtschweizerisch gesetzlich verankert. Bis heute ist er für 85 % der Arbeitnehmenden normalerweise kein Arbeitstag (Quelle: Schweizerische Arbeitskräfteerhebung SAKE). Drei Viertel der Arbeitnehmenden arbeiten nie am Sonntag. Der freie Sonntag stellt ein seit Jahrhunderten verankertes Recht auf Nicht-Erreichbarkeit dar, welches in der Gegenwart stark an Bedeutung gewonnen hat. Unter anderem führt die Digitalisierung zu einer permanenten Erreichbarkeit. Diese wird durch den Sonntag für praktisch alle Arbeitnehmenden für einen Tag in der Woche unterbrochen. Wenn niemand eine E-Mail schreibt oder telefoniert, dann erhält auch niemand eine E-Mail oder einen Telefonanruf und muss auch nicht damit rechnen.

Bergregionen als fragwürdiges Vorbild

Das Arbeitsgesetz sieht unmissverständlich vor, dass Sonntagsarbeit nur verrichtet wird, wenn sie technisch und wirtschaftlich unentbehrlich ist. Bisher braucht es Bewilligungen, die mit der Änderung der Verordnung gelockert würden. Die heute geltende Verordnung des Arbeitsgesetzes ermöglicht touristischen Berggebieten die bewilligungsfreie Sonntagsarbeit aufgrund der Saisonalität ihres Umsatzes. Betriebe in Bergregionen erwirtschaften einen grossen Teil ihres Umsatzes in der Tourismussaison in den Winter- oder Sommermonaten. In städtischen Tourismusgebieten hingegen ist aus Sicht des SKF Sonntagsarbeit weder technisch noch wirtschaftlich unentbehrlich.

Verordnungsänderung ohne Mehrwert

Die Umsätze im Detailhandel hängen im Wesentlichen von den Löhnen, der Beschäftigung und der Einkommensverteilung ab. Längere Ladenöffnungszeiten – und die Öffnung am Sonntag entspricht einer Verlängerung – führen hauptsächlich zu einer Beeinträchtigung der Produktivität und wirkt sich so langfristig negativ auf Löhne und Arbeitsbedingungen aus. Mit den vier bewilligungsfreien Sonntagen haben die Kantone bereits heute die Möglichkeit, die Sonntagsarbeit im Detailhandel in einem beschränkten Rahmen zuzulassen. Diese Möglichkeiten werden von einer Mehrheit der Kantone heute nicht ausgeschöpft. Gerade einmal 10 Kantone schöpfen diese Möglichkeit vollständig aus.

Unzeitgemässes Vorgehen

Die Änderung stellt aus Sicht des SKF einen falscher Ansatz dar. Fachkräftemangel und demographischer Wandel erfordern einen gezielteren und effizienteren Einsatz von Arbeitnehmenden im Produktions- und Verteilungsprozess. Eine Liberalisierung der Sonntagsarbeit im Detailhandel bewirkt das Gegenteil: Mehr Personal- und Energieeinsatz für die gleichen Umsätze. Dadurch steht die Vorlage in starkem Widerspruch zu den Entwicklungen in der Arbeitswelt, welche zunehmend durch den demographischen Wandel geprägt sind: Qualitatives Wachstum und ein verstärkter Gesundheitsschutz zugunsten der Arbeitnehmenden würden vielmehr eine gezielte Verkürzung der Ladenöffnungszeiten erfordern. Die Verordnungsänderung bleibt somit in einem Denken der Vergangenheit verhaftet.

Arbeitsbedingungen und Familienleben schützen

Der arbeitsfreie Sonntag hat für Arbeitnehmende im Detailhandel eine grössere Bedeutung als in anderen Branchen, weil bereits viele Arbeitnehmende am freien Samstag arbeiten. Die Aufhebung des Sonntagsarbeitsverbots hätte damit nicht nur weitreichende Konsequenzen auf die zunehmend schlechteren Arbeitsbedingungen im Detailhandel, sondern auch auf das Familienleben der betroffenen Arbeitnehmenden. Dabei sind nicht nur die Angestellten im Detailhandel betroffen, sondern weitere Arbeitnehmende aus den Bereichen Reinigung, Sicherheit oder dem öffentlichen Verkehr.

Eckpfeiler unseres Zusammenlebens schützen

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass der Mensch ein rhythmisches Wesen ist, und dass die Störung dieser Rhythmen durch unregelmässige Arbeits- und Freizeit zu gesundheitlichen und psychosozialen Problemen führen kann. Durch die Ausweitung der Sonntagsarbeitszeiten wird die gesellschaftliche und soziale Teilhabe einer ganzen Berufsgruppe und ihrer Angehörigen massgeblich und unnötig eingeschränkt. Der «freie Sonntag» ist ein Eckpfeiler des familiären, sozialen, sportlichen, spirituellen und kulturellen Lebens. Die Erwerbsarbeit soll deshalb an diesem Tag auf Dienstleistungen beschränkt werden, die für die Gesellschaft unerlässlich sind.

Sonntagsallianz

Die 2012 gegründete Sonntagsallianz ist ein Zusammenschluss von Frauenverbänden, Gewerkschaften, politischen Parteien, Kirchen/kirchlichen Verbänden und der Schweizerischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin. Ihr Ziel ist es, den gesetzlich verankerten arbeitsfreien Sonntag zu verteidigen. Die Ausnahmen bleiben Ausnahmen. Der SKF gehört zu den Gründungsmitgliedern.

Frauenbund Zürich

Kantonal lehnte der Katholische Frauenbund Zürich KFB die Parlamentarische Initiative «Für offene Läden in Tourismuszentren» ab. Wie Berggebiete oder Tessiner Städte sollen gemäss Inititiative auch Zürich und Winterthur als «Tourismusgebiete» eingestuft werden. Der KFB beteiligte sich an der Vernehmlassung und setzte sich für einen arbeitsfreien Sonntag ein.

Die Co-Geschäftsführerin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds, Karin Ottiger, ist überzeugt: Der freie Sonntag bietet Lebensqualität und ist eine Frage der Solidarität. Im Interview vom November 2023 legt sie dar, weshalb es auch weiterhin einen arbeitsfreien Sonntag braucht. Mehr auf kath.ch

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