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Blog 10.02.2022 | Kirche – Schöpfung

Im Anfang war das Wort: Gott – G-tt – G♀tt – G♂tt

Ich erinnere mich gut an mein Aha-Erlebnis am feministischen Theologiekurs 1993 in Luzern, als mein Gottesbild zünftig ins Wanken geraten ist. Wir beschäftigten uns mit Christologie, der Lehre der Erlösung, und ich las das Buch von Carter Heyward «Und sie rührte sein Kleid an.» Darin wird G-tt als «Kraft in Beziehung» beschrieben, also als die Energie, die verbindet was ist, was war und was sein wird. In der biblischen Geschichte, die dem Buch den Titel gab, ist es die Kraft, die von der blutflüssigen Frau ausgeht und die Jesus spürt, als sie sein Kleid berührt. Es ist diese heilende Energie, die Jesus zur Aussage bewegt hat «Dein Glaube hat dich geheilt.»

Arek Socha / Pixabay © Arek Socha - Pixabay

Ich war mir bis dahin gar nicht bewusst, dass mein G*ttesbild trotz positiver Erfahrungen in der kirchlichen Jugendarbeit mit neuen Liedern, Texten und Bildern so eng war. Ich hatte ein durch und durch patriarchales, männliches G·ttesbild: Der bärtige Mann in den Wolken, der Pantokrator, das Büblein in der Krippe oder der tote Jesus am Kreuz. G♂tt wurde zudem ausschliesslich mit männlichen Pronomen angesprochen. Da war und ist zwar immer auch Maria, die Mutter Jesu, G*ttesmutter, Himmelskönigin. Sie war aber für mich nicht Teil des EINEN (dreifaltigen) G-ttes.

Die Erkenntnis, dass G♦tt viel mehr war als die gelernten Glaubenssätze, brachte mein Gottes- und Menschenbild zünftig ins Wanken. Mir vertraute und eingeprägte Begriffe und Bilder von Gott verloren ihre Absolutheit. Es war ja Jesus selbst, der sich erlaubt hat, G*tt bahnbrechend oder eben erlösend (christlich) neu zu benennen. Er, der Jude, nannte G*tt zärtlich Abba, Vater, und verstand sich damit selbst als «Kind der GÖttlichen Weisheit». Indem er den Gøtt der bedingungslosen Liebe und der Barmherzigkeit verkündigt hat, wurde er für viele zum Christus, zum Erlöser von einem mächtigen, herrschenden und strafenden G♂tt.

Die feministische Theologie hat mir ein weiteres Aha-Erlebnis beschert: Die weibliche Seite G•ttes, Mutter Erde und die Frauen werden nicht als gleichwürdig wie die männliche Seite Gottes, Vater Himmel und die Männer anerkannt. Das patriarchale Gottesbild prägt unser Verständnis von Schöpfung bis heute massgeblich. So fehlt im Christ:innentum das weibliche Pendant zu «Vater Himmel», nämlich «Mutter Erde», und das mit gravierenden Folgen. Mutter Erde wird geringgeschätzt und ausgebeutet, weil wir uns nicht als Teil dieser Schöpfung verstehen und erleben. Mutter Erde ist der Schoss allen Lebens. Hier konkretisiert sich Schöpfung im Kreislauf von Werden, Sein und Vergehen. Solange diese Aspekte vom Göttlichen keinen sicht- und hörbaren Ausdruck finden in unserem Denken, Sprechen und Tun, solange werden weder die Schöpfung, noch im Besonderen die Frauen, als Abbild Gottes erkannt und anerkannt.

Es sind unterdessen doch schon mehrere Jahrzehnte vergangen, seit die ersten feministischen Theolog:innen G*tt als die LEBENDIGE, die BARMHERZIGE oder die GÖTTLICHE WEISHEIT und den Heiligen Geist als RUACH benannt haben. Diese g©ttlichen Attribute haben aber nach wie vor keinen Platz in der offiziellen liturgischen Sprache gefunden. Gott, Vater und Herr beherrschen das Feld ungestört, was für mich und viele Glaubende unerträglich ist. So habe ich das Kreuzzeichen für mich erweitert, indem ich zu Beginn meinen Unterleib bezeichne und G+tt als Mutter anspreche. Ich habe auch die Anrede im Christus-Gebet (Vater unser) ergänzt mit «Vater Himmel und Mutter Erde» und ich schliesse es ab mit den Begriffen «Kraft und Zärtlichkeit».

Mein erweitertes Denken, Sprechen und Bezeichnen von G*tt irritiert und fordert mein Umfeld immer wieder heraus. Beim Schreiben dieses Blogbeitrags habe ich mich sogar selbst damit überrascht, dass ich für G-tt verschiedene Schreibweisen benutzt habe. Mich freuts. Was löst das bei dir aus?

Simone Curau-Aepli

SKF-Vorstandspräsidentin

 

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