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News 23.08.2022 | Frauennetzwerk – Interessenvertretung – Politik

Politische Bildung vom SKFLuzern zur AHV 21

Das grosse Frauennetzwerk SKF ist einer Politik des Einmischens verpflichtet. Jüngst unter Beweis stellte dies der SKFLuzern. Das Vorstandsteam des Luzerner Kantonalverbandes stellte am 17. August ein Podium zur Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung AHV auf die Beine.

Die politische Bildung von Frauen hat im SKF Tradition. In einem so vielfältigen Verband ist es nicht immer möglich, derselben Meinung zu sein – eine Meinung hingegen zu haben, schon. Mit der Organisation eines Podiums zur AHV 21 trug der SKFLuzern zur Meinungsbildung bei. «Als Kantonalpräsidentin des SKFLuzern begrüsse ich meistens Frauen. Dass heute auch Männer im Publikum sitzen, ist wichtig. Sich eine Meinung bilden, ist wichtig, denn diese Vorlage geht uns alle etwas an», begrüsste Daniela Merkel die Anwesenden.

Altervorsorge unter Druck

Die Altersvorsorge von Frauen in der Schweiz ist ungenügend. Geschlechtsspezifische Risiken werden durch die ungleiche Verteilung unbezahlter Care-Arbeit, Arbeit in Teilzeitpensen und Lohnungleichheit zementiert. Die AHV kommt aufgrund demographischer Entwicklungen jedoch stark unter Druck und gefährdet die Situation von Frauen künftiger Generationen. Am 25. September 2022 stimmt die Schweizer Bevölkerung über die Stabilisierung der AHV (AHV 21) ab. Die Reform setzt sich aus zwei Vorlagen zusammen, die am selben Tag zur Abstimmung kommen: Änderung des AHV-Gesetzes und Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Nur wenn beide Vorlagen angenommen werden, kommt die Revision zustande.

Argumente aus verschiedenen politischen Lagern

Unter professioneller Moderation von Lena Berger, Zentralplus, diskutierten Simone Brunner, SP Kantonsrätin, Luzern; Andrea Gmür, die Mitte Ständerätin, Luzern; Amanda Probst, VPOD Zentralschweiz und Heidi Scherer, FDP Kantonsrätin, Meggen im Kantonsratssaal die Vor- und Nachteile der AHV Reform 21. Andrea Gmür stellte die Vorlage vor und erläuterte die Herausforderungen der künftigen AHV-Finanzierung. Der grösste Treiber sei die demographische Entwicklung, also eine immer älter werdende Gesellschaft. Das Verhältnis von jüngeren Menschen, die in die AHV einzahlen und denjenigen, die Gelder aus der AHV beziehen kippe immer mehr ins Ungleichgewicht. Die Podiumsteilnehmerinnen diskutierten die Vorlage entlang von fünf (Hypo)Thesen, die in den vergangenen Wochen in den Medien Schlagzeilen gemacht haben.

  1. Die AHV sei in Wahrheit gar keine Gleichstellungsdebatte.
  2. Das Gleichstellungsproblem liege der 2. Säule (BVG) begraben.
  3. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 0.4 Prozent sei in Anbetracht von Inflation, Teuerung und einem angespannten Energiemarkt ungelegen.
  4. Es brauche die Reform nicht, denn wenn bessere Kinderbetreuungsangebote geschaffen würden, würden auch mehr Frauen mehr und/oder in höheren Pensen einer Lohnarbeit nachgehen.
  5. Die AHV-Reform, wie sie die Vorlage vorsieht, sei ein Tropfen auf den heissen Stein, weil sie nicht nachhaltig sei. Kaum trete sie in Kraft, müsse man das Rentenalter wieder anheben.

Bei der Diskussion der Thesen wurde deutlich: Linke und Bürgerliche setzen in der Analyse und Bewertung der Faktoren ganz unterschiedliche Akzente. Eine stattliche Zahl von interessierten Frauen und Männern haben der Podiumsdiskussion zugehört und anschliessend beim Apéro selber weiter diskutiert.

SKF befütwortet AHV-Revision

Gemäss Leitbild vertritt der SKF die Rechte und Interessen aller Frauen, wonach die Vorlage abzulehnen gewesen wäre. Gleichzeitig setzt sich der SKF für eine solidarische Gesellschaft ein, wonach die Vorlage befürwortet werden müsste. Weil ein Ausweg aus dem AHV-Reformstau dringend angezeigt ist, hat der SKF im Rahmen der «Konferenz der Kantonalverbände» die Vorlage zur Stabilisierung der AHV (AHV 21) diskutiert und sich für ein Ja zur AHV 21 entschieden. In dem neuen Gremium wurde erstmalig über eine politische Vorlage beraten und gemeinsam abgestimmt.

Der Schweizerische Katholische Frauenbund und seine Kantonalverbände sehen im Ja zur AHV 21 die Möglichkeit, den Abwärtstrend der AHV-Schieflage bis 2027 mittels einer kurzfristigen Finanzierungsperspektive abzufedern. In der Zwischenzeit setzt sich der SKF für eine solidarische und geschlechtergerechte Lösung für alle Generationen ein. Dazu gehört auch die Revision der beruflichen Vorsorge. Denn wer den Job aufgibt oder das Pensum reduziert, um unbezahlte Care-Arbeit zu leisten, hat am Ende des Berufslebens weniger in der Pensionskasse, also weniger Rente. Weil es überwiegend Frauen sind, die beruflich kürzertreten, um unbezahlte Care-Arbeit zu leisten, ist die Rentenlücke der Frauen in der zweiten Säule riesig. Der SKF wird sich auch künftig dafür einsetzen, dass die zweite Säule und die Rentensituation von Frauen eine substanzielle Verbesserung erfahren.

Eine pragmatische Lösung

«Wir haben die Taktik, das Frauenrentenalter gegen andere Forderungen der Gleichstellung auszuspielen, bereits 2017 bei der letzten Abstimmung über die Altersvorsorge aufgegeben», so Simone Curau-Aepli. Die SKF-Präsidentin ist überzeugt, dass es bei einer Annahme der Reform nicht zu Kürzungen der monatlichen Renten komme. Die Berechnungen der Gegner:innen basierten darauf, dass den Frauen ein Jahr Rente fehle; gleichzeitig gingen diese ein Jahr länger einer Lohnarbeit nach. Die Übergangsjahrgänge bekämen sogar eine leicht erhöhete Rente. Die Vorlage umfasst folgende Massnahmen:

1.  Rentenalter 65 für alle
Das bisherige Rentenalter der Frauen (64 Jahre) wird an das der Männer (65 Jahre) angeglichen. Die Erhöhung des Frauen-Rentenalters wird in vier Schritten mit jährlichen Erhöhungen um jeweils drei Monate erfolgen. 

2.  Ausgleichsmassnahmen
Die Frauen der Übergangsgeneration erhalten lebenslang einen AHV-Zuschlag auf ihre Rente, falls sie die Rente ab dem regulären Rentenalter 65 beziehen. Entscheiden sie sich für eine vorzeitige Pensionierung, wird ihre Rente weniger stark gekürzt. Die Zuschläge und Kürzungssätze sind nach Rentenhöhe und Jahrgang abgestuft. Die Übergangsgeneration umfasst 9 Jahrgänge und betrifft Frauen, die bei Inkrafttreten der Reform 55 Jahre oder älter sind. Tritt die AHV 21 im Jahr 2024 in Kraft, gehören die Jahrgänge 1961 bis 1969 zur Übergangsgeneration.

3.  Flexibilisierung des Rentenbezugs
Der Begriff «Rentenalter» wird durch «Referenzalter» ersetzt. Frauen und Männer können den Zeitpunkt des Rentenbezugs freier wählen: Der Übergang in den Ruhestand kann ab 63 bis 70 Jahre schrittweise erfolgen, in dem ein Teil der Rente vorbezogen oder aufgeschoben wird und bis 70 Jahre Vorsorgebeiträge einbezahlt werden können. Der Vorbezug ist für beide Geschlechter erst ab Alter 63 möglich. Ausnahme: Die Frauen der Übergangsgeneration können bereits mit 62 Jahren die AHV-Rente vorbeziehen.

4.  Zusatzfinanzierung durch Mehrwertsteuer-Erhöhung
Das Kompensationsmodell für die betroffenen Frauen wird bis 2032 rund 3,3 Mrd. Franken kosten. Um diese Ausgleichsmassnahmen zu finanzieren, wird die Mehrwertsteuer erhöht: Der Normalsatz wird dauerhaft von heute 7,7 Prozent um 0,4 Prozentpunkte auf 8,1 Prozent angehoben, die reduzierten Sätze werden um 0,1 Prozentpunkte erhöht. So leisten die Konsument:innen einen Beitrag an die Sanierung von rund 1,4 Mrd. Franken.

Strukturelle Probleme nicht ignorieren

Gewisse Herausforderungen werde auch die Vorlage nicht lösen. Herausforderungen, die durchaus einen Einfluss auf den nachhaltigen Erfolg der AHV-Revision nehmen, so etwa die Eintrittsschwelle für Frauen mit niedrigen Jahreslöhnen in die Pensionskasse, die ungleiche Verteilung von unbezahlter Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen und die damit zusammenhängende hohe Rate von nur in Teilzeit angestellten Frauen sowie die Schwierigkeiten von Menschen über 60, einen Job zu finden. Diese Herausforderungen haben jedoch direkt wenig mit der AHV zu tun und müssten deshalb anderswo gelöst werden – nicht über eine Blockade der längst überfälligen Reformen.

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