Der SKF im Bundeshaus
2 Tage, 246 Frauen, 77 Abstimmungen: Das war die historische Frauensession 2021. Die engagierte und professionelle Arbeit der Frauen zeigte, wie stark der politische Gestaltungswille und das Verlangen nach Veränderung sind.
Im Gegensatz zur ersten Frauensession 1991 waren dieses Mal zweihundert der Frauen im Vorfeld in einer Online-Abstimmung gewählt worden. Das Ergebnis: Ein vielfältigeres Abbild der weiblichen Bevölkerung und eine lebendige Session. Was war die Motivation der Teilnehmerinnen, was waren ihre Forderungen und was ihre Gänsehaut-Momente? Die Antworten gibt's im Video.
Konkrete Verbesserungen für weibliche Realitäten
Die in monatelanger Vorbereitungsarbeit und an zwei Sessionstagen entstandenen Forderungen zeigen Lösungen für die dringlichsten politischen Anliegen der Frauen in der Schweiz auf und haben das Potential, nicht nur für die Gleichstellungspolitik der nächsten Jahre wegweisend zu sein, sondern auch die Arbeitsmarkt-, Sozialversicherungs-, Gesundheits-, Sicherheits- und Wissenschaftspolitik zu prägen. Die Frauensession fand im Rahmen des 50-Jahr-Jubiläums statt und hatte zum Ziel aufzuzeigen, wo Frauen auch nach 50 Jahren noch immer unter Ungleichbehandlung und Diskriminierung leiden.
SKF-Frauen arbeiteten in verschiedenen Kommissionen mit (v.l.n.r.): Miriam Christen-Zarri (Vorstand), Karin Ottiger (Co-Geschäftsleitung), Danielle Cotten (Co-Geschäftsleitung), Sarah Paciarelli (Kommunikation), Simone Curau-Aepli (Präsidium) und Fabienne Roos (Vorstand)
Was haben wir Frauen aus unserer Geschichte gelernt?
Hat uns die Geschichte der Frauen hellhörig werden lassen für den Ausschluss anderer und wer sind die anderen heute? Für den Schweizerischen Katholischen Frauenbund SKF und die Evangelischen Frauen Schweiz EFS ist klar: Es sind Menschen, die juristisch als Ausländer:innen gelten. 25% der Einwohner:innen der Schweiz sind juristisch betrachtet Ausländer:innen. Das ist einer der höchsten Prozentsätze weltweit. Gemäss der jüngsten Ausländer:innenstatistik 2021 handelt sich um 2'170'598 Millionen Menschen. 1.6 Mio. leben seit mindestens fünf Jahren hier, 1,1 Mio. seit mindestens zehn. «In Anbetracht dieser Fakten von Ausländer:innen zu sprechen, ist absurd. Diese Menschen gehören zur Schweiz, sie sind hier geboren, zur Schule gegangen, haben hier Familien und Unternehmen gegründet, sie zahlen Steuern und wirken an der Gestaltung der Schweiz mit», so Sarah Paciarelli, Kommunikation SKF.
Nationales Stimm- und Wahlrecht für Einwohner:innen
An der Frauensession hat die Kommission für Einwohner:innenstimmrecht die Forderung nach politischer Teilhabe von Einwohner:innen der Schweiz ohne Schweizer Staatsbürgerschaft behandelt. Ihr erster Akt bestand in einer Umbenennung von «Kommission für Ausländer:innenstimmrecht» in «Kommission für Einwohner:innenstimmrecht». Nach fünfjährigem Aufenthalt in der Schweiz sollen Menschen ohne Schweizer Staatsbürgerschaft das Stimm- und Wahlrecht erhalten – unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Für diese politische Vision setzen sich die Evangelischen Frauen Schweiz EFS und der Schweizerische Katholische Frauenbund SKF ein, die die Kommission verantworteten.
Die demokratische Tradition wahren
In Verbindung mit den strengen Einbürgerungsgesetzen der Schweiz gefährdet das fehlende Stimm- und Wahlrecht für Einwohner:innen ohne Schweizer Staatsbürgerschaft die demokratische Ordnung, weil immer mehr Menschen von der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen sind. Die aktuelle Situation stellt für die Schweiz, die von der Beteiligung ihrer Stimm- und Wahlberechtigten auf allen Ebenen des Gemeinwesens lebt, eine schlechte Entwicklung dar.
Simone Curau-Aepli (l.), Präsidium SKF, und Karin Ottiger (r.), Co-Geschäftsleitung SKF
Standing Ovations im Nationalratssaal
«Als zivilgesellschaftliche Akteurinnen, die allen Frauen, unabhängig von Herkunft und Religion offenstehen, sehen sich beide Freiwilligenverbände verpflichtet, diesen Missstand anzugehen», so SKF-Präsidentin Simone Curau-Aepli. Davon überzeugt war auch das Plenum der Frauensession am 29. Oktober 2021, als die Sprecherinnen der Kommission im Nationalratssaal ihre Reden hielten. Die Forderung nach einer gerechten Teilhabe für Menschen ohne Schweizer Staatsbürgerschaft führte zu Stehbeifall, bewegte und rührte viele zu Tränen. Als sich plötzlich eine Frau nach der anderen klatschend im Nationalratssaal erhob, war das ein sehr ergreifender Moment.
Reden der Kommission für Einwohner:innenstimmrecht
Die Session war auch für die politische Bildung von Frauen in der Schweiz ein Erfolg. In der Wandelhalle haben sich Politikerinnen der Zukunft vernetzt und sind nun bestens gewappnet, politische Allianzen zu schmieden. Die Arbeit in den Kommissionen und im Parlament hat sie für den politischen Alltag gerüstet – diese Erfahrungen haben die Frauen rege mit ihrem Umfeld, in den Medien und sozialen Netzwerken geteilt und so auch weitere Frauen ermutigt, ein politisches Amt anzutreten.
Bundesrätin Simonetta Sommaruga (l.) und Danielle Cotten, Co-Geschäftsleiterin SKF
Empowerment von Frauen für Frauen
«An der Frauensession erlangten Frauen Sichtbarkeit, denen sonst die Öffentlichkeit verwehrt bleibt. Ihre Stimme zählte und sie verschafften sich Gehör. Das ist Empowerment», so Karin Ottiger, Co-Geschäftsleitung SKF. Der SKF ist stolz, durch die Mitorganisation der Frauensession und im Geist seines Leitbildes «Wir machen die Welt schöner, gerechter und lebenswerter» an einer besseren Welt für die Frauen der Schweiz mitgewirkt zu haben.
Vertreterinnen der organisierenden Frauenorganisationen (v.l.n.r.): Anne Challandes, Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes; Simone Curau-Aepli, Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds SKF; Gabriela Allemann, Präsidentin der Evangelischen Frauen Schweiz, Maya Graf, Co-Präsidentin alliance f; Yvonne Schärli, Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen EKF, Jana Fehrensen, Co-Präsidentin des Dachverbandes Schweizerischer Gemeinnütziger Frauen SGF und Kathrin Bertschy, Co-Präsidentin alliance f
Der SKF im Video ab Zeitmarke 3:11:25
Was fordert die Frauensession?
An der Frauensession 2021 berieten 246 gewählte Teilnehmerinnen aus
der ganzen Schweiz über 70 Geschäfte und verabschiedeten insgesamt 23 Forderungen. Diese
überreichten sie in der Form von Petitionen am Samstag dem Ratspräsidium – so werden auch
National- und Ständerat die Forderungen behandeln.
- Chancengleichheit im Erwerbsleben mit Elternzeit, Kinderbetreuungsinfrastrukturfonds und Individualbesteuerung
- Unterstellung der Arbeit in Privathaushalten unter das Arbeitsgesetz
- Revision des Gleichstellungsgesetzes und Schaffen einer unabhängigen Bundesbehörde zur Durchsetzung der Lohngleichheit
- Gleichstellung im Alter
- Schaffung eines Bundesamtes für Gleichstellung
- Chancengleichheit für eine ganzheitliche sexuelle Gesundheit von Frauen
- Einführung eines nationalen Programms zu Diskriminierung und implizitem Bias im Gesundheitswesen
- Zugang zu ganzheitlicher und professioneller sexueller Bildung für alle
- Geschlechterperspektive in Strategie «Digitale Schweiz» integrieren
- «Halbe-Halbe» in MINT-Berufen: Den Frauenanteil steigern
- Einführung politischer Rechte für Einwohner:innen der Schweiz ohne Schweizer Staatsbürgerschaft
- Beitritt der Schweiz zur Wellbeing Economy Governments Partnership (WEGo)
- Care-Arbeit: Erziehungs- und Betreuungsgutschriften aufwerten
- 0,1% des BIP für den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt
- Strafverfolgung – Revision des Sexualstrafrechts
- Sensibilisierung für und Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt und Gewalt im sozialen Nahraum – Nationale Kampagnen
- Revision des Eherechts: Abmilderung der negativen Folgen einer Ehescheidung oder Auflösung eingetragener Partnerschaft auf landwirtschaftliche Betriebe
- Soziale Sicherheit. Den Bericht des Bundesrates vom 16. September 2016 (Frauen in der Landwirtschaft) umsetzen
- Soziale Sicherheit. Welche Lösungen für Mutterschaftsversicherung und Vaterschaftsurlaub unabhängig von der Erwerbstätigkeit?
- Gibt es eine geschlechtsspezifische Diskriminierung bei der Übertragung von landwirtschaftlichen Betrieben?
- Gleichstellungspolitische Standards für die Hochschulfinanzierung und die Drittmittelvergabe
- Für Chancengleichheit und die Förderung des akademischen Nachwuchses: Erhöhen wir die Grundfinanzierung und schaffen mehr Festanstellungen an den universitären Hochschulen
- Förderung der Geschlechterforschung an den Universitäten und Hochschule
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