Gewalt gegen Frauen stoppen heisst Prioritäten setzen und Mittel sprechen
Der Frauenbund Schweiz ist tief besorgt über den Entscheid des Nationalrats vom Montag, eine zusätzliche Million Franken zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt nicht zu sprechen. Damit fehlen wichtige Mittel, die für wirksamen Schutz, für nachhaltige Präventionsarbeit und für die Entwicklung griffiger Massnahmen unerlässlich sind. Geschlechtsspezifische Gewalt bleibt ein drängendes gesellschaftliches Problem – und ohne ausreichende Finanzierung können notwendige Fortschritte nicht erzielt werden.
Trotz der Dringlichkeit lehnten die politisch Verantwortlichen im Nationalrat die Mittel ab – und dies, obwohl sowohl der Ständerat als auch die Finanzkommission des Nationalrats sich zuvor klar für die zusätzliche Million ausgesprochen hatten. Am Mittwoch, 10. Dezember, wird der Antrag erneut im Ständerat behandelt.
Der Entscheid des Nationalrats fällt zudem mitten in die «16 Tage gegen Gewalt an Frauen 2025», eine globale Kampagne vom 25. November bis 10. Dezember, die weltweit daran erinnert, dass Gewalt an Frauen eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung ist und entschlossenes Handeln erfordert. Gleichzeitig läuft in der Schweiz die erste nationale Präventionskampagne gegen häusliche, sexualisierte und geschlechtsbezogene Gewalt, die vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) gemeinsam mit zahlreichen Organisationen entwickelt wurde und sich über mehrere Jahre erstrecken soll.
Gerade vor diesem Hintergrund wirkt es besonders widersprüchlich, dass politisch Verantwortliche im Nationalrat die Million Franken nicht gesprochen haben – genau jene Mittel, die nötig wären, damit Prävention, Schutz und Sensibilisierung überhaupt Wirkung entfalten können. Während Kampagnen öffentlich sichtbare Signale setzen, fehlt es im entscheidenden Moment an der finanziellen Grundlage, um die darin formulierten Ziele tatsächlich umzusetzen.
Allein in diesem Jahr wurden in der Schweiz 27 Femizide verzeichnet. Hinter jeder Zahl steht ein verlorenes Leben. Viele Menschen können nicht nachvollziehen, dass die politisch Verantwortlichen im Nationalrat Gelder zur Umsetzung der Istanbul-Konvention ablehnen konnten. Wie kann es sein, dass der Schutz von Frauen und Mädchen keine klare Priorität erhält? Schöne Worte reichen nicht aus, um geschlechtsspezifische Gewalt wirksam zu bekämpfen – es braucht konkrete Schritte und ausreichend finanzielle Ressourcen.
Geschlechtsbezogene und häusliche Gewalt ist in der Schweiz weit verbreitet. Jedes Jahr registriert die Polizei mehrere zehntausend Fälle häuslicher Gewalt; die Dunkelziffer ist erheblich. Immer wieder kommt es zu schweren Gewaltdelikten und Femiziden – Tragödien, die durch Prävention, Schutzmassnahmen und gut ausgebaute Unterstützungsangebote häufig verhindert werden könnten.
Frauenorganisationen haben eine besondere Verantwortung, auf Ursachen von Gewalt gegen Frauen und Femiziden aufmerksam zu machen. Sie zeigen, dass diese Taten nicht nur individuelle Verbrechen sind, sondern Ausdruck von ungleichen Machtverhältnissen und patriarchalen Normen. Indem sie informieren und aufklären, rücken sie das Thema in den Fokus der Gesellschaft. Für den Frauenbund ist dies auch ein Auftrag aus der christlichen Ethik und der katholischen Soziallehre. Der Verbandsvorstand des Frauenbund Schweiz findet: Gott hat Mann und Frau in Gleichwürdigkeit geschaffen – jede Abwertung und jede Gewalt verletzt die göttliche Schöpfung. Mehr erfahren unter www.frauenbund.ch/femizid
Was wichtig ist
- Sichtbar machen: Nur wenn hingeschaut wird, wird das ganze Ausmass geschlechtsspezifischer Gewalt erkennbar. Ohne ausreichende Mittel bleiben wichtige Datenerhebungen, Sensibilisierung und Informationsarbeit eingeschränkt – Gewalt gegen Frauen bleibt zu oft unsichtbar.
- Schutz verbessern: Frauenhäuser, Fachstellen und Beratungsangebote benötigen eine verlässliche Finanzierung. Wenn Gelder fehlen, geraten jene Schutzräume unter Druck, die Frauen und ihre Kinder vor weiterer Gewalt bewahren.
- Vorbeugen: Prävention erfordert Fachwissen, Schulungen, lokale Netzwerke und kontinuierliche Arbeit. Ohne ausreichende Mittel bleibt Prävention lückenhaft – und verliert ihre Wirkung genau dort, wo Frauen frühzeitig Unterstützung bräuchten.
- Ein Zeichen setzen: Das Wort «Femizid» erinnert daran, dass die Gleichwürdigkeit von Frauen und Männern ein Ziel ist, das konsequent gestärkt werden muss. Wenn politisch Verantwortliche notwendige Mittel verweigern, entsteht ein widersprüchliches Signal – besonders in einer Zeit, in der Gewalt an Frauen zunehmende Aufmerksamkeit erhält und konsequentes Handeln unabdingbar ist.
Darum unterstützt der Frauenbund Schweiz auch den laufenden Appell, der den Ständerat auffordert, Verantwortung zu übernehmen und jetzt zu handeln. Schutz, Prävention und griffige Massnahmen brauchen finanzielle Mittel, um wirksam zu sein.
Gewalt gegen Frauen geht alle etwas an. Sie betrifft die Gesellschaft, die Gemeinschaften, die Familien und das Zusammenleben. Der Frauenbund Schweiz setzt sich dafür ein, dass Frauen und Mädchen in diesem Land sicher leben können – und dass ihre Sicherheit nicht von politischen Entscheiden abhängig ist, bei denen notwendige Mittel verweigert werden.
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