Femizid

«Ein Femizid ist die Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist.» Klingt eindeutig – und sorgt doch für viele Missverständnisse. Wann ist ein Mord ein Femizid? Geht es um individuelle Motive des Täters, um gesellschaftliche Strukturen – oder beides? Hinter der einfachen Formel steckt eine traurige Realität, die zum Hinschauen zwingt. Femizide verletzen nicht nur die Würde von Frauen, sondern auch die göttliche Schöpfung – und darum tragen wir als katholische Frauenorganisation die Verantwortung, aufzuklären, hinzuschauen und gemeinsam Wege zu finden, damit Frauen in Sicherheit und Gleichwürdigkeit leben können. Der Begriff Femizid hilft uns zu verstehen: Diese Morde entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern stehen im Zusammenhang mit tief verwurzelter Ungleichheit zwischen Frauen und Männern.

  • Sichtbar machen: Nur wenn wir hinschauen, erkennen wir das ganze Ausmass geschlechtsspezifischer Gewalt.
  • Schutz verbessern: Eine klare Benennung schafft die Grundlage für wirkungsvollere Unterstützung und Massnahmen.
  • Vorbeugen: Wer versteht, wo Gewalt beginnt, kann rechtzeitig handeln und schützen.
  • Ein Zeichen setzen: Das Wort «Femizid» erinnert uns daran, dass Gleichwürdigkeit von Frauen und Männern ein Ziel ist, das wir gemeinsam weiter stärken müssen.
© Maxim Hopman Unsplash

Wenn wir von Femizid sprechen, geht es nicht einfach um die Tötung einer Frau. Es geht um Gewalt, die aus tief verwurzelten Vorstellungen von Ungleichheit zwischen den Geschlechtern entsteht. Die oft zitierte Definition – «eine Frau wird getötet, weil sie eine Frau ist» – klingt klar, führt aber leicht in die Irre. Denn Täter sagen selten: «Ich habe sie getötet, weil sie eine Frau ist.» Vielmehr spielen Rollenbilder, Machtverlust, Besitzansprüche oder Frauenhass eine Rolle

Gefährlich wird es, wenn eine Frau Grenzen setzt oder sich trennt. Manche Männer erleben das als Bedrohung und reagieren mit Gewalt. Sie «bestrafen» Frauen dafür, dass sie ihr Leben selbst bestimmen wollen. Ein Femizid liegt vor, wenn die Tat im Zusammenhang mit solchen Vorstellungen steht: wenn eine Frau «bestraft» wird, weil sie sich trennt, eigene Wege geht oder die ihr zugeschriebene Rolle nicht erfüllt. Femizide sind keine isolierten Verbrechen. Sie sind Ausdruck einer Struktur, in der Frauen weniger zählen und Gewalt eingesetzt wird, um dieses Ungleichgewicht aufrechtzuerhalten. Darum gilt: Hinter jedem Femizid steht mehr als ein Täter. Es stehen gesellschaftliche Muster, die wir nur gemeinsam durchbrechen können.

Die Zahlen zu Femiziden in der Schweiz im Jahr 2025 sind alarmierend. Im ersten Halbjahr 2025 wurden in der Schweiz 18 Frauen und Mädchen getötet. Im gesamten Jahr 2024 wurden laut feministischen Organisationen 22 Femizide und neun Versuche verzeichnet. Im Vergleich dazu zeigt die Statistik für 2025 eine besorgniserregende Zunahme.

Hinter jeder Zahl steht ein Name, eine Tochter, eine Freundin, eine Mutter, eine Kollegin. Bisher sind es vor allem zivilgesellschaftliche Akteur:innen, Organisationen wie BRAVA, die Femizide erfassen. Damit wird diese extremste Form von Frauenverachtung sichtbar – und damit auch die Muster, die zu dieser tödlichen Gewalt führen. 2024 reichte Nationalrätin Sibel Arslan ein Postulat ein: Der Bundesrat soll prüfen, wie Femizide in der Schweiz nach UNO-Kriterien statistisch erfasst werden können. Im März 2025 hat der Nationalrat einer Machbarkeitsstudie zugestimmt.

Wenn wir von Femizid sprechen, wird klar: Es geht nicht um Einzelfälle, sondern um Gewalt gegen Frauen als Gruppe. So können wir besser hinschauen, schützen und verhindern, dass es noch mehr Opfer gibt. Femizide machen sichtbar, wie tief die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern noch immer verankert ist. Sie sind nicht nur einzelne Verbrechen, sondern Ausdruck von Strukturen, die Frauen bis heute benachteiligen.

Um zu verstehen, warum solche Taten geschehen, reicht es nicht, nur Gesetze oder individuelle Motive zu betrachten. Wir müssen die gesellschaftlichen Machtverhältnisse und Rollenerwartungen sehen, die seit Jahrhunderten weitergegeben werden. Femizide kommen in allen Kulturen, Religionen und sozialen Milieus vor. Sie sind ein über Jahrtausende eingeübtes Muster patriarchaler Logik: Männer sollen stark, dominant und durchsetzungsfähig sein, Frauen hingegen anpassungsfähig, fürsorglich und untergeordnet. Wenn Frauen diese Rollen durchbrechen – indem sie selbstbestimmt leben, sich trennen oder Grenzen setzen – reagieren manche Männer mit Gewalt, weil sie den Verlust von Macht und Kontrolle fürchten.

Männliche Täter, die in solchen Situationen handeln, fühlen ihre Macht und Kontrolle über Frauen bedroht. Sie greifen zu Gewalt, um alte Normen zu sichern und Frauen für ihr selbstbestimmtes Verhalten zu bestrafen. Das grösste Risiko für eine Frau, von ihrem Partner getötet zu werden, besteht, wenn sie eine Beziehung beendet. Solche sogenannten Trennungstötungen treffen fast immer Frauen – und die Täter sind fast immer Männer.

Die Erklärungen der Täter zeigen deutlich, wie tief patriarchale Denkmuster verankert sind: Frauen werden als weniger wert gesehen, Männer beanspruchen Macht und Kontrolle über sie. Femizide sind die extremste Form dieser patriarchal geprägten Gewalt gegen Frauen. Doch sie beginnen nicht erst beim Mord: Gewalt zeigt sich schon viel früher – in abwertenden Sprüchen, in Kontrolle über Kleidung oder Kontakte, in finanzieller Abhängigkeit, in Demütigungen, in sexualisierter Gewalt oder in Drohungen. All diese Formen sind Teil desselben Systems, das Ungleichheit zwischen den Geschlechtern festschreibt. Der Femizid ist nur die letzte, tödlichste Stufe der Eskalation.

Wenn wir vom Femizid sprechen, öffnen wir den Raum für Mitgefühl, Verständnis und Veränderung – und tragen dazu bei, dass Frauen in Sicherheit und Würde leben können. Frauenorganisationen haben eine besondere Verantwortung, auf Ursachen von Femiziden aufmerksam zu machen. Sie zeigen, dass diese Taten nicht nur individuelle Verbrechen sind, sondern Ausdruck von ungleichen Machtverhältnissen und patriarchalen Normen. Indem sie informieren und aufklären, rücken sie das Thema in den Fokus der Gesellschaft. Für den Frauenbund ist dies auch ein Auftrag aus der christlichen Ethik und der katholischen Soziallehre. Gott hat Mann und Frau in Gleichwürdigkeit geschaffen – jede Abwertung und jede Gewalt verletzt die göttliche Schöpfung.

Unser Paper zum Thema Femizid

Der Frauenbund Schweiz hat ein ausführliches Paper mit dem Titel «Gewalt gegen Frauen – eine Wunde unserer Gesellschaft» veröffentlicht. Der Text steht hier als PDF-Dokument zum Herunterladen bereit.

Femizide und die Istanbul-Konvention

Der Frauenbund misst der Istanbul-Konvention grosse Bedeutung zu. Das Abkommen des Europarates verpflichtet die Staaten, Gewalt gegen Frauen zu verhindern, Betroffene zu schützen und Täter strafrechtlich zu verfolgen. Femizide – die Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts – sind die extremste Form einer Gewaltspirale, die oft mit psychischer Gewalt beginnt. Die Schweiz hat die Istanbul-Konvention ratifiziert und damit die Verantwortung übernommen, Frauen wirksam vor Gewalt zu schützen.

16 Tage gegen Gewalt an Frauen

Die Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» findet jedes Jahr vom 25. November bis 10. Dezember statt. In der ganzen Schweiz setzen Organisationen und Einzelpersonen ein Zeichen gegen geschlechtsspezifische Gewalt, machen Betroffenheit sichtbar und stärken den Einsatz für Menschenrechte.

Mehr Infos: www.16tage.ch

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