Vernehmlassung zur Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt
Der Frauenbund Schweiz unterstützt die Ratifizierung des ILO-Übereinkommens Nr. 190 über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt. Das Abkommen schafft erstmals international verbindliche Mindeststandards für Prävention, Schutzmassnahmen und Sanktionen. Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz beeinträchtigen Gesundheit, Arbeitsklima und Integration – sie treffen Frauen besonders stark. Mit der Ratifizierung setzt die Schweiz ein klares Signal für gewaltfreie Arbeitsplätze, stärkt ihre Glaubwürdigkeit als ILO-Gaststaat und unterstreicht ihre Verantwortung für sichere, faire und respektvolle Arbeitsbedingungen.

Sehr geehrter Herr Bundesrat Parmelin
Sehr geehrte Damen und Herren
Wir bedanken uns für die Möglichkeit zur Teilnahme an diesem Vernehmlassungsverfahren.
Frauenbund Schweiz (vormals SKF Schweizerischer Katholischer Frauenbund) ist der Dachverband katholischen Frauenorganisationen der Schweiz. Das Frauennetzwerk vertritt rund 100'000 Frauen und setzt sich in seiner Funktion als Interessenverband anwaltschaftlich für die Interessen von Frauen ein. Durch unsere beiden Hilfswerke, den Solidaritätsfonds für Mutter und Kind und das Elisabethenwerk, sind wir unter anderem konfrontiert mit sexueller Belästigung und Gewalt von Frauen.
Als katholische Frauenorganisation setzt sich der Frauenbund Schweiz für die Würde, den Schutz und die Gleichberechtigung von Frauen ein. Die Ratifizierung des ILO-Übereinkommens 190 ist aus unserer Sicht ein entscheidender Schritt, um geschlechtsspezifische Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz zu verhindern und Frauen eine sichere, respektierte und chancengerechte Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen.
Die vorliegende Vernehmlassungsantwort entstand in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen (EKF) sowie dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB). Als Frauenorganisation, die mit einer Vertreterin in der EKF vertreten ist, teilen wir deren Mission und engagieren uns auf diese Weise vernetzt für die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter sowie gegen jede Form geschlechtsspezifischer Diskriminierung.
In diesem Zusammenhang nimmt Frauenbund Schweiz im Rahmen der Vernehmlassung zum Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) Nr. 190 über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt Stellung. Nach Einschätzung des Verbandsvorstands stellt die Ratifizierung des ILO-Übereinkommens 190 ein absolut nötiges Bekenntnis der Schweiz zum Schutz aller Arbeitnehmenden vor (geschlechtsspezifischer) Gewalt und Belästigung dar. Nachfolgend erläutern wir die Gründe, warum der Verbandsvorstand des Frauenbund Schweiz die Ratifizierung des ILO-Übereinkommens 190 ausdrücklich begrüsst. Einleitend empfehlen wir, die ILO-Empfehlung Nummer 206 (Empfehlung betreffend die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt), welche das Übereinkommen ergänzt, ebenfalls zu berücksichtigen.
Einordnung des ILO-Übereinkommens 190
Der Frauenbund Schweiz fusst sein Engagement auf der katholischen Soziallehre, Gleichwürdigkeit und Solidarität und der Stärkung von Frauen. Gemäss UNO-Pakt I haben alle Menschen das Recht, unter menschenwürdigen und gerechten Bedingungen einer Arbeit nachzugehen. Der Verbandsvorstand begrüsst deshalb das Vorhaben des Bundesrates, dem Thema der sexuellen Belästigung und der Gewalt in der Arbeitswelt mit dem Vorschlag der Ratifizierung des ILO-Übereinkommens 190 entschieden entgegenzutreten. Der Frauenbund Schweiz beurteilt diesen Schritt als wirksame Massnahme zur Stärkung des Engagements der Schweiz gegen Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt.
Nur mit einer konsequenten Nulltoleranz-Politik gegen sexuelle Belästigung und Gewalt können weitere Opfer vermieden und alle Arbeitnehmenden nachhaltig in den Arbeitsmarkt integriert werden. In der Gleichstellungsstrategie 2030 des Bundes wird die Ratifizierung als prioritäre Massnahme genannt. Die Zielsetzung des ILO-Übereinkommens 190 deckt sich zudem mit den Massnahmen zur Umsetzung der Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Das Übereinkommen ist einzigartig, da es erstmals international verbindliche Mindeststandards wie Präventionsmassnahmen, Zugang zu Rekursmitteln und Sanktionen definiert.
Die Ratifizierung anerkennt, dass Frauen und Mädchen stärker von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind und ungleiche Machtverhältnisse mitverantwortlich sind. Sie trägt zur gesellschaftlichen Sensibilisierung bei und vermittelt ein unmissverständliches Signal: Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz werden in der Schweiz nicht toleriert. Fünfzig Staaten haben die Konvention bereits ratifiziert; eine Verweigerung der Schweiz würde die Glaubwürdigkeit als ILO-Gaststaat gefährden und der bisherigen Innen- und Aussenpolitik widersprechen.
Die Schweiz verfügt bereits über gesetzliche Grundlagen zum Schutz der Arbeitnehmenden, sodass mit der Ratifizierung keine Anpassungen erforderlich sind. Die Bestimmungen des Übereinkommens sind programmatischer Natur, legen Ziele und Leitlinien fest und stehen im Einklang mit der schweizerischen Ratifizierungspolitik.
Fazit
Die Ratifizierung des ILO-Übereinkommens 190 sendet ein deutliches Signal für eine Arbeitswelt, in der Belästigung und Gewalt keinen Platz haben. Sie unterstreicht die Verantwortung der Schweiz, menschenwürdige und sichere Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.
Sexuelle Belästigung und Gewalt beeinträchtigen nicht nur die Gesundheit der Betroffenen, sondern wirken sich auch negativ auf das Betriebsklima, die Produktivität und die langfristige Arbeitsmarktintegration aus. Studien des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) zeigen, dass dieses Problem in der Schweiz nach wie vor weit verbreitet ist.
Die Ratifizierung leistet einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Sensibilisierung und vermittelt ein klares Signal: Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz werden nicht toleriert. Sie stärkt das Engagement der Schweiz für gewaltfreie Arbeitsplätze, steht im Einklang mit ihrer Ratifizierungspolitik und festigt ihre Glaubwürdigkeit als Gastgeberin der ILO. Eine Ablehnung durch das Parlament würde die Betroffenen benachteiligen das internationale Ansehen der Schweiz schmälern.
Das Übereinkommen definiert erstmals international verbindliche Mindeststandards zum Schutz vor sexueller Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz und anerkennt das grundlegende Recht jeder Frau und jedes Mannes auf eine respektvolle, sichere und gewaltfreie Arbeitsumgebung. Für den Frauenbund Schweiz ist dies ein entscheidender Schritt, um Frauen in allen Branchen, insbesondere in männerdominierten Bereichen, eine chancengerechte Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Für die Berücksichtigung unserer Anliegen möchten wir uns sehr herzlich bedanken und stehen Ihnen bei Fragen gerne zur Verfügung.
Dateien
250819_Vernehmlassung IAO-Übereinkommen Nr. 190 über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung.pdf
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